BGH: Kein selbständiges Beweisverfahren zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete

Worum ging’s?
Ein Vermieter wollte eine Mieterhöhung durchsetzen, weil seine Wohnung angeblich besser ausgestattet sei als vergleichbare Objekte. Der Mieter widersprach und stellte die wohnwerterhöhenden Merkmale in Abrede.
Um Klarheit zu schaffen, beantragte der Vermieter beim Amtsgericht ein selbständiges Beweisverfahren (§ 485 ZPO), um durch ein Sachverständigengutachten feststellen zu lassen, welche Merkmale tatsächlich vorliegen und wie hoch die ortsübliche Vergleichsmiete ist. Das Amtsgericht lehnte den Antrag als unzulässig ab, ebenso das Landgericht. Der Vermieter zog daraufhin mit einer zugelassenen Rechtsbeschwerde vor den Bundesgerichtshof (BGH).

Was hat das Gericht entschieden?
Der BGH wies die Rechtsbeschwerde ab (Beschluss vom 15.07.2025 – VIII ZB 69/24).
Ein selbständiges Beweisverfahren zur Feststellung der ortsüblichen Vergleichsmiete oder der Wohnwertmerkmale ist grundsätzlich unzulässig.
Zur Begründung führte der BGH aus:

Die Feststellung der ortsüblichen Vergleichsmiete gehört zum gesetzlich geregelten Mieterhöhungsverfahren nach §§ 558 ff. BGB. Dieses Verfahren sieht eine eigene, klar strukturierte Abfolge von Schritten und Fristen vor – insbesondere eine Begründungspflicht, eine Überlegungsfrist für den Mieter und eine nachgelagerte Klagefrist. Ein vorgelagertes Beweisverfahren würde diese Schutzmechanismen unterlaufen.

Es besteht keine Gefahr, dass ein Beweismittel verloren geht oder später nicht mehr nutzbar ist. Die ortsübliche Vergleichsmiete kann jederzeit im Rahmen eines Mieterhöhungsprozesses festgestellt werden.

Das Mieterhöhungsverfahren nach §§ 558 ff. BGB stellt einen gerechten Ausgleich zwischen Mieter- und Vermieterinteressen dar. Der Vermieter trägt das Risiko und die Kosten eines Gutachtens, wenn er sich darauf stützt. Der Mieter muss sich erst äußern, wenn ihm ein formgerechtes Erhöhungsverlangen vorliegt. Ein selbständiges Beweisverfahren würde dieses Gleichgewicht stören und den Mieter mit unnötigen Kosten und verfrühter Stellungnahmepflicht belasten.

Was bedeutet das für Mieter:
Mieter müssen sich nicht auf ein isoliertes Beweisverfahren zur Feststellung der ortsüblichen Vergleichsmiete einlassen.
Solche Verfahren sind unzulässig und können vom Vermieter nicht erzwungen werden. Wenn also ein Vermieter vor einer Mieterhöhung versucht, ein Gutachten gerichtlich einzuholen, kann der Mieter sich darauf berufen, dass der BGH dies ausdrücklich ausgeschlossen hat.

Was bedeutet das für Vermieter:
Die Begründung einer Mieterhöhung muss im Rahmen des gesetzlichen Mieterhöhungsverfahrens erfolgen – entweder durch Bezug auf den Mietspiegel, durch Vergleichswohnungen oder durch ein privat beauftragtes Gutachten (§ 558a Abs. 2 BGB).
Ein gerichtliches Gutachten kann erst im Rahmen einer Zustimmungsklage nach § 558b BGB eingeholt werden.

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